gepflegt von der Schnauze bis zur Pfote
HAARIGES HOBBY
Erschienen in der Schweizer Familie mit freundlicher Genehmigung
Artikel in der Schweizer Familie Text: Gabriela Meile Fotos: René Ruis
Was andern lästig ist, spinnt sie zu feiner Wolle:
Hundecoiffeuse Brigitta Kalbermatter strickt aus
dem Fell ihrer vierbeinigen Kundschaft Warmes
für kalte Tage.
Brigitta Kalbermatter kämmt die Unterwolle
aus dem Fell der Landseer-Hündin Kira
von Ingrid Hauenstein (r.).
Schals, Finken oder Armstulpen. Fein
säuberlich sind sie zum Verkauf
ausgestellt. An den Wänden hängen
lange Fäden, gewonnen aus dem
Fell von Schäfern, auf einem Regal
liegen Knäuel vom Sheltie, Zwergspitz,
Eurasier,Border Collie, Husky.
Ein Nischenprodukt
Früher entsorgte Brigitta Kalbermatter
das viele Hundehaar, das bei ihrer
Arbeit anfällt. Aber eines Tages
erinnerte sie sich an ein altes Spinnrad,
ein Erbstück ihres Vaters. Als
ehemalige Verkäuferin von
Handarbeitsartikeln habe sie sich
gedacht: «Hundehaar ist eine
wunderbare Ressource. Alle sprechen
von Nachhaltigkeit, ich könnte einen
Beitrag leisten.» Vor drei Jahren
erstand sie deshalb ein neues
Spinnrad, besuchte Kurse und
begann, die Unterwolle ihrer tierischen
Kundschaft zu sammeln. Inzwischen
schicken ihr Halterinnen und Halter
zudem wöchentlich Pakete, gefüllt
mit Hundehaaren. Manchmal ist der
Inhalt allerdings unbrauchbar.
Kalbermatter betont:
«Deckhaar ist zu kurz und zu sperrig.
Kalbermatter jeweils die
Hundehaare lockert und ordnet, um
anschliessend Wolle daraus zu
spinnen. Die Schritte sind jenen bei
der Verarbeitung Schaf- oder
Alpakawolle ähnlich. Die Produkte,
die entstehen, sind die gleichen:
Brigitta Kalbermatter strickt etwa
Wild wirbeln flauschige Haarbüschel
durch die Luft. Mittendrin steht Bubbles
von Württemberg, genannt Kira, im
warmen Wind des grossen Föhns.
Die Landseer-Hündin mit
Stammbaum hat einen Termin im Salon.
Doch sie ist nicht bloss zur Pflege hier,
sondern liefert gleichzeitig einen
Rohstoff, auf den es Hundecoiffeuse
Brigitta Kalbermatter abgesehen hat:
Unterwolle. Die segelt nach und
nach zu Boden. Kalbermatter sammelt
ihre Ausbeute ein und nickt zufrieden.
Fast 200 Gramm hat sie Kira aus dem
Fell gebürstet und geblasen. Sie
murmelt: «Das ergibt mindestens ein
Knäuel.» Richtig: Brigitta Kalbermatter,
demnächst 64, fertigt in ihrem Salon
Dog-Style im zürcherischen Oberweningen
aus Hundehaaren Wolle. Manche mögen
denken, diese Frau, die spinne. «Sie
haben recht. Ich spinne wortwörtlich»,
sagt sie, lacht, und zeigt auf ihr Spinnrad.
Ihr Geschäft hat sie vor zehn Jahren in
den umgebauten Räumen der Garage
und des Kellers eröffnet, weil sie durch
ihre zwei Cairn Terrier Erfahrung in der
Pflege von Vierbeinern hatte und
ständig um Hilfe gebeten wurde.
Im Vorraum stehtauch eine Karde, ein
Gerät mit kleinen Haken, worauf
Brigitta Kalbermatter
in ihrem Salon in
Oberweningen mit
Handschuhen aus
Wolfsspitz -Wolle.
Ihre Cairn Terrier Oki
und Diego (auf dem
Stuhl) tragen Schäfer
und Chow-Chow.
Aufmerksam schauen die Cairn Terrier Oki und Diego
ihrem Frauchen beim Spinnen zu.
Säuberlich
geordnetes
Garn aus
Hundehaar
Pudel, Labrador oder Terrier eignen
sich überhaupt nicht. Ich kann lediglich
die feine Unterwolle von Hunden mit
langem Fell verwenden.»
Eine, der Brigitta Kalbermatters Idee
gefällt, ist Sabina Brägger, Inhaberin
der Firma Swiss Materials,
Design & Products. Sie beschäftigt sich
mit nachhaltigen Materialien, die
hierzulande bisher nur wenig genutzt
«Textilverbands, überzeugt. «Ich kann mir nicht
vorstellen, dass in der Schweiz Hundewolle je
industriell verarbeitet wird. Die Menge reicht nicht
aus. Für Hundebesitzer und -besitzerinnen
mag es jedoch herzig sein, Sachen von
ihren Vierbeinern zu tragen.»
Mehr als nur Fellpflege
Dass dem so ist, bestätigen die Reaktionen
von Kalbermatters begeisterter Kundschaft.
«Die Fasern des Hundehaars sind
rutschiger als die von Schafen.
Deshalb ist es aufwendiger, sie zu
spinnen.» Brigitta Kalbermatter
Brigitta Kalbermatter strickt auch für ihren Mann und ihre zwei Hunde
Es wurde durch Auskämmen des Unterhaars
gewonnen
Die einen bestellen fertige Produkte, die
anderen kaufen die Wolle. Manche
möchten ein Andenken für die Zeit,
wenn ihr Hund dereinst nicht mehr ist.
Andere freuen sich über den
Partnerlook mit ihrem Liebling. So wie
Ingrid Hauenstein, die mit ihren
Landseer-Hündinnen Kira und Cassy
bloss wenige Häuser vom Salon entfernt
wohnt. Zweimal jährlich bringt sie die
Tiere zur Fellpflege vorbei. Nun ist
Cassy an der Reihe. Die Hundecoiffeuse
greift zu einer Bürste mit feinen Haken
und fährt durch das Fell, immer mit dem
Lauf der Haare, damit es nicht ziept. Als
sie fertig ist, sagt sie: «Das ergibt
wieder ein Knäuel. Sie packt Cassys
Haare in eine Tüte zu jenen von Kira
und überreicht sie Ingrid Hauenstein,
die sich freut. «Ich bin derart Fan von
Brigittas Werken, dass ich ebenfalls
angefangen habe, zu spinnen und zu
stricken.» Die Wolle gebe gefühlt
zehnmal wärmer als
herkömmliche, sei angenehm
auf der Haut, und die Kleidungsstücke
würden toll aussehen. «Ich finde das Fell
meiner Hunde cool! Schwarz und Weiss
sind genau meine Farben, sportlich-
elegant», sagt die 56-Jährige. Mützen und
Handschuhe hat sie bereits. Bald will sie
einen Pulli aus Landseer-Wolle in Angriff
nehmen.
Viele Stunden für einen Knäuel.
Einen Pullover hat bei Brigitta
Kalbermatter noch niemand bestellt. «Der
hohe Preis schreckt ab», erklärt sie. Allein
das Material dazu kostete 400 Franken, 40
pro 100 Gramm Wolle, die Arbeit noch
nicht mitgerechnet. «Die Fasern des
Hundehaars sind fluffiger und rutschiger
als zum Beispiel die von Schafen.
Deshalb ist es aufwendiger, sie zu
spinnen. Für einen Knäuel brauche ich
fünf bis sieben Stunden.» Hinzu kommt,
dass sie die Wolle mehrmals in Wasser
einlegen und gut waschen muss,
damit sich der Geruch nach Hund
verflüchtigt. Die Hundecoiffeuse
macht alles von Hand. Viel Geld
verdient sie damit nicht. Trotzdem ist
sie glücklich, weil sie «ein erfüllendes
Hobby» gefunden hat und damit auch
anderen eine Freude macht. Hat die
Kundschaft einmal keine Wünsche,
strickt sie für sich und ihren Mann
Mario – oder die beiden Cairn Terrier.
Denn mit Oki, 3, und Diego, 11,
betreibt das Ehepaar den Sport
Mantrailing. Dabei verstecken sich
die Kalbermatters abwechselnd und
lassen sich von den Hunden finden,
die zuvor an einem Kleidungsstück
gerochen haben. Während der
eine im Wald rumrennt und sucht,
muss der andere im Auto warten.
«Damit in dieser Zeit keiner friert,
habe ich ihnen kleine Pullis
gelismet», sagt Brigitta Kalbermatter
und präsentiert die beiden: Oki
trägt Schäfer, Diego Chow-Chow.
nur wenig genutzt werden, und berät
Textilunternehmen. Brägger sagt: «Den
Leuten ist gar nicht bewusst, was alles
verwertbar ist. Hunde brauchen ohnehin
Fellpflege. Da ist es ökologisch durchaus
sinnvoll, etwas aus den Haaren zu
machen. » Dennoch würden die
Erzeugnisse Nischenprodukte bleiben.
Davon ist auch Nina Bachmann,
Geschäftsmitglied des Schweizer